Mögliche Gefahren durch beschädigte Pfeile – Vertrauen ist gut, Kontrolle jedoch besser!

Gefahren durch beschädigte Pfeile

Unabhängig von Material, Durchmesser, Marke oder Art des Pfeils, den du schießt, solltest du jeden Pfeil vor jedem Schuss auf Beschädigungen untersuchen! Obwohl eine richtige Pflege und Aufbewahrung der Pfeile dazu führen kann, dass man sehr lange, sehr viel Spaß an seinen Pfeilen hat, sind Pfeilschäfte jedoch nicht unzerstörbar. Pfeile sind leichte, relativ fragile Stäbchen, die daher auch bei normalem Gebrauch, z.B. durch Transport, Fallenlassen auf den Boden, Quetschen usw., beschädigt werden können.

Daher gleich zu Beginn die Warnung: Das Schießen eines beschädigten Pfeils ist sehr gefährlich und kann im schlimmsten Fall zu schweren und schwersten Verletzungen führen.

Man sollte niemals blind davon ausgehen, dass ein Pfeil sicher und unbeschädigt ist. Auch nicht bei neuen Pfeilen! Es liegt letztlich in deiner eigenen Verantwortung, deine Ausrüstung vor dem Schießen und während des Schießens regelmäßig zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Pfeile immer in gutem Zustand sind. Gerade Carbonpfeile können bei all den Vorteilen, die sie bieten, hier tückisch sein! Nachdem Carbonpfeile im Traditionellen Bogenschießen und gerade im 3D-Bogenschießen mittlerweile am häufigsten eingesetzt werden, widme ich mich in diesem Artikel ausschließlich diesen Pfeilen, um hier etwas zu sensibilisieren.

Mögliche Szenarien beim Abschuss beschädigter Carbonpfeile

Wenn man einen beschädigten Carbonpfeil abschießt, können die folgenden Szenarien eintreten. Das beste Szenario ist, dass der Pfeil den Bogen noch verlassen kann und eventuell sogar im Ziel einschlägt. Aber alle anderen Fälle sind schon erschreckend!

Schaft ist am Nockende eingerissen

Falls der Carbonschaft am Nockende eingerissen sein sollte, kann es passieren, dass beim Abschuss die Nocke seitlich aus dem Schaft ausbricht und es ähnlich, wie auch bei einem Nockenbruch zu einem Quasi-Leerschuss kommt, was natürlich für den Bogen kein Spaß ist. Wenn es ganz blöd läuft, trifft die Sehne den Schaft seitlich, dreht ihn und er wird gegen den Bogen und das Gesicht des Schützen geschleudert. Verletzungen im Gesicht, an den Augen, Nase, Mund sind dabei dann nicht ungewöhnlich.

Riss am Nockende des Pfeils
Protectorringe am Nockende des Pfeils

Dass ein Carbonschaft am Nockende reißt, tritt häufig dann auf, wenn die Nocke zu viel Spiel hat und der Pfeil auf einen harten Gegenstand trifft. Sie wird beim Aufprall regelrecht in den Schaft gehämmert und spaltet ihn auf. Leider sieht man das manchmal nicht sofort. Auch kann bei sehr stramm sitzenden Nocken der Schaft bereits beim Bau des Pfeils beschädigt worden sein. Selbst wenn die Nocke passend sitzt, kommt es bei Treffern auf schräge, harte Flächen häufig ebenfalls zu eingerissenen Schäften an der Nocke. Abhilfe kann man generell mit sogenannten Protectorringen schaffen.

Der Carbonschaft wurde strukturell geschädigt

Nicht nur bei Fehlschüssen auf Steine, in Bäume, Treffern von Befestigungseisen der 3D-Tiere kommt es häufig dazu, dass der Carbonschaft entweder vorne kurz hinter der Spitze oder im ersten/letzten Drittel strukturell beschädigt wird. Konkret wird durch die Energie, die der Schaft absorbieren muss, die Struktur des Carbonschafts beschädigt, sodass der Pfeil entweder direkt bricht oder kaum sichtbare, aber verheerende Risse bekommt. Zu diesen Schäden kann es auch sehr leicht kommen, wenn auf der Scheibe oder im 3D-Tier enge Pfeilgruppen geschossen werden und Schäfte hart aneinanderschlagen oder Pfeilspitzen Macken in anderen Pfeilen hinterlassen.

Macke/Delle am Pfeil
Macke/Delle am Pfeil

Schießt man einen solchen strukturell beschädigten Schaft ab, so kann dieser beim Abschuss an der geschwächten Stelle brechen. Der vordere Teil des Pfeils schafft es meist noch „wegzufliegen“, der hintere Teil wird jedoch zur Bogenfensterseite weggeschleudert. Meist leider auch nach unten. Ein Treffen des Bogenarms oder der Hand ist sehr wahrscheinlich!

Der Schaft kann sich dabei in Hand, Unterarm, Handgelenk bohren, was zu schwersten Verletzungen bis hin zum Verlust von Fingern führen kann. Selbst wenn die Verletzung relativ „leicht“ ist, können Carbonfasern selten vollständig entfernt werden und müssen „herauseitern“. Ein sehr langwieriger und schmerzhafter Prozess.

Zudem besteht in diesem Szenario nicht nur eine Gefahr für dich selbst, sondern auch für Umstehende. Insbesondere auch daher sollte man immer hinter dem Schützen stehen. Teile des brechenden Pfeils können nämlich im 45°-Winkel oder sogar in größerem Winkel zur Seite fliegen.

Da wir leider – oder besser gesagt zum Glück – keine eigenen Fotos von entsprechenden Verletzungen haben, hier ein Link zu einer Webseite mit einigen Fotos von entsprechenden Unfällen u.a. mit beschädigten Pfeilen.

Sind Carbonpfeile gefährlicher als andere Pfeile?

Zu diesem Ergebnis könne man jetzt sehr schnell kommen, wenn man obige Szenarien einmal durchspielt. Jedoch ist eher das Gegenteil der Fall. Carbonschäfte sind die langlebigsten Schäfte im Bogensport und auch die stabilsten Schäfte, die es gibt.

Egal aus welchem Material der Schaft ist. Wenn er beschädigt ist, heißt es Finger weg davon und entsorgen. Die Gefahr, dass der Schaft bricht ist immer da, auch bei Holzpfeilen, Alu-Pfeilen oder Fiberglaspfeilen. Wobei natürlich jedes Schaftmaterial auf bestimmte äußere Einflüsse anders reagiert als die anderen.

Aber ausgerechnet, weil Carbonpfeile als die robustesten Pfeile angesehen werden, neigt man gerne dazu, möglichen Beschädigungen kein Augenmerk zu widmen und blind auf die Robustheit zu vertrauen, selbst wenn der Pfeil einen sehr harten irregulären Treffer hatte. Mit irregulärem Treffer meine ich alles, was vom Treffen einer normalen Scheibe oder 3D-Tier abweicht.

Zugegeben, meist passiert hier auch nichts und der Pfeil überlebt es ohne weitere Beschädigung. Aber wenn dann doch mal was sein sollte, heißt es hinterher „hätte ich doch nur besser hingesehen“. Aber dann ist es meist zu spät!

Wie prüfe ich meine Pfeile am besten?

Nicht umsonst schreibt zum Beispiel der amerikanische Carbonschafthersteller GoldTip auf seine Pfeile den Slogan „Flex it First“. Denn die beste Art den Pfeil auf eine Beschädigung zu prüfen, die im Zweifel zum Bruch führen kann, ist das Durchbiegen (engl. to flex).

optische Pfeilkontrolle
Biegetest am Pfeil

Biege den Pfeil auf mehreren Seiten durch und lausche, ob es knackt, knarzt oder sonst etwas merkwürdiges passiert.

Zusätzlich zum Biegen, kann man den Schaft auch leicht verwinden und so prüfen, ob die Struktur in Takt ist.

Auch eine optische Kontrolle auf Risse, Macken, Dellen o.ä. ist sinnvoll, um einen Pfeil sicherheitshalber vielleicht schon einmal auszusortieren. Insbesondere Risse des Schafts am Nockende lassen sich fast immer nur durch eine optische Kontrolle entdecken. In seltenen Fällen bemerkt man auch sofort eine extrem locker sitzende Nocke.

Eine Bitte noch zum Schluss!

Wie du oben gelesen hast, sollte man also auch beim Bogenschießen seine Ausrüstung und insbesondere die Pfeile permanent kontrollieren. Zu deiner eigenen Sicherheit und auch der Sicherheit deiner Mitschützen bitte ich dich daher auch deine Pfeile regelmäßig, zumindest bei Fehlschüssen oder hörbaren Schlägen genau zu überprüfen.

Wenn du dieses Wissen an andere Schützen und insbesondere Einsteiger in unserem Sport weitergibst, trägst auch du zu einer Zunahme der Sicherheit in unserem Sport bei. Danke dir!

Jürgen Goll

Vor vielen Jahren hat er die Liebe zum Traditionellen Bogenschießen entdeckt und gibt schon seit fast 15 Jahren Kurse im instinktiven Bogenschießen. Er ist der Inhaber des Bogenladen Collenberg und dein Ansprechpartner für alles rund um das Traditionelle Bogenschießen.

Jürgen Goll

Vor vielen Jahren hat er die Liebe zum Traditionellen Bogenschießen entdeckt und gibt schon seit fast 15 Jahren Kurse im instinktiven Bogenschießen. Er ist der Inhaber des Bogenladen Collenberg und dein Ansprechpartner für alles rund um das Traditionelle Bogenschießen.