Unter dem Auszug bzw. dem Ausziehen des Bogens beim Bogenschießen versteht man das Ziehen an der Sehne während des Schussablaufs von der Standhöhe bis zum Erreichen der persönlichen Auszugslänge.
Man kann zum Ausziehen auch Spannen des Bogens sagen, da während des Ziehens an der Sehne im Bogen Energie „gespeichert“ wird, die dann beim Loslassen der Sehne den Pfeil beschleunigt.
Welche unterschiedlichen Arten den Bogen auszuziehen gibt es?
Ein Bogen kann grundsätzlich auf mehrere unterschiedliche Art und Weisen ausgezogen werden. Davon ist keine als „völlig falsch“ zu bezeichnen, allerdings gibt es gewichtige Argumente, warum man bestimmte Dinge besser nicht machen sollte und es gibt Methoden, mit denen man sich deutlich leichter beim Ausziehen tut.
Ich möchte zunächst einmal die drei meistgenannten Möglichkeiten erwähnen, die man in einschlägigen Büchern und Artikeln zum Bogenschießen oder auch bei Kursen gerne genannt bekommt und dazu auch erklären, was man jeweils darunter versteht.
Möglichkeit 1: Druck-Zug-Methode (sog. Push-Pull)
Bei der Druck-Zug-Methode wird, wie der Name schon sagt, der Bogen mit dem Bogenarm nach vorne gedrückt und gleichzeitig mit dem Zugarm die Sehne nach hinten ausgezogen. Ausgangsposition ist ein sehr nahes Führen des Bogens am Körper und dann langsames Wegdrücken in Richtung des Ziels verbunden mit dem gleichzeitigen Ziehen an der Sehne.
Möglichkeit 2: Mit vorgehaltenem Arm (sog. Straight Draw)
Beim Auszug mit vorgehaltenem Arm wird nur mit dem Zugarm gezogen. Der Bogenarm steht sozusagen schon auf das Ziel ausgerichtet da und die Sehne wird linear zurück gezogen.
Möglichkeit 3: Hochschwingen (sog. Swing-Draw)
Das Hochschwingen ist eine Art Mischform aus den beiden voran genannten Formen, bei der der Bogenarm schon ausgestreckt ist, aber nach unten zeigt und dann während des Ziehens an der Sehne nach oben geführt wird.
Warum sollte man sich überhaupt Gedanken darum machen, wie man den Bogen auszieht?
Grundsätzlich kann man sagen, dass du durchaus auf alle drei Arten den Bogen ausziehen kannst. Jedoch geht es beim Ausziehen des Bogens ja nicht einfach nur darum, den Bogen auf das Ziel zu richten und die Zughand zum Ankerpunkt zu führen.
Vielmehr ist der richtige Auszug das Herzstück eines jedes Schussaufbaus im Bogenschießen, da er darüber entscheiden kann,
- wie wahrscheinlich du mittelfristig körperliche Probleme in Bezug auf Muskeln und Gelenke bekommen wirst,
- wie einfach du die richtige Haltung und Ausrichtung des Oberkörpers erreichst,
- ob und wie gut du in die Rückenspannung kommst,
- wie leicht oder schwer dir das Ziehen und Halten des Bogens fällt,
- wie ruhig du „zielen“ kannst
- wie anfällig du für Target-Panic bist,
- wie oft du hintereinander deinen Bogen schießen kannst bevor du ermüdest.
Insofern müssen wir uns, bevor wir uns über eventuelle Vor- oder Nachteile der ein oder anderen Art auszuziehen sprechen, die richtige Haltung beim Bogenschießen und Verwendung der korrekten Muskeln während des Auszugs ansehen.
Die richtige Haltung im Vollauszug
Unter der Haltung versteht man die Ausrichtung des Körpers – insbesondere des Oberkörpers – im Vollauszug. Man sollte dabei insbesondere diese fünf Punkte bzgl. der Haltung beachten und einhalten:
- Linie Bogenhand-Bogenschulter-Zugarmschulter
- Zugarmellenbogen hinter der Pfeillinie
- Korrekte Bogenarmdrehung & Bogenschulterposition
- Ellenbogenhöhe: Linie Zugarmellenbogen-Zughand-Druckpunkt
- Neutrale Kopfhaltung/Ankerpunkt
Die Linie Bogenhand-Bogenschulter-Zugarmschulter
Die Bogenhand, Bogenschulter und Zugarmschulter sollten sich von oben betrachtet in einer Linie befinden. Denn nur so bildet unser Körper ein solides Fundament, um der Kraft des Bogens entgegenzuwirken.
Wenn die drei Punkte nicht in einer Linie stehen, ist es viel schwieriger der Kraft des Bogens zu trotzen. Der Schuss wird instabil und man kommt auch nicht wirklich in die Rückenspannung.
Ich habe mich schon einmal in einem Blogartikel zur Rückenspannung damit befasst. Schau doch dort gerne mal rein, wenn dich das näher interessiert.
Zugarmellenbogen hinter der Pfeillinie
Pfeil, Zughand und der Ellenbogen des Zugarms sollen von oben betrachtet ebenfalls mindestens auf einer Linie liegen. Idealerweise sollte der Ellenbogen sogar zwischen dem Schützen und einer gedachten Linie von Pfeil und Zughand liegen. Also sozusagen auf der Seite des Schützen (siehe roter Punkt).
Bogenarm & Bogenschulterposition
Der Bogenarm ist ausgestreckt und eingedreht, sodass die Ellenbogen-Beuge zum Bogen zeigt. Die Schulter des Bogenarms sollte tief stehen und nicht nach oben gezogen werden. Sie muss tief im „Sockel“ sitzen um dadurch stabil der Kraft des Bogens widerstehen zu können.
Die Linie Zugarmellenbogen-Zughand-Druckpunkt
Der Ellenbogen des Zugarms sollte so hoch sein, dass eine Linie vom Ellenbogen über den Kontakt der Zughand an der Sehne direkt im Druckpunkt landet. Ein tief stehender Ellenbogen ist ein deutliches Zeichnen dafür, dass entweder nicht aus dem Rücken heraus gezogen wird oder zumindest ein Großteil der Kraft aus der Schulter/Arm kommt.
Ankerposition und Kopfhaltung
Der Kopf sollte sich stehts in einer neutralen, d.h. mittigen Position über dem Körper befinden. Er sollte weder nach vorne in Richtung Ziel gestreckt werden, noch nach hinten gelehnt sein.
Durch die eigene Körperanatomie in Verbindung mit der richtigen Haltung wird dann automatische die optimale Ankerposition bestimmt. Diese kann dabei am Wangenknochen liegen, am Mundwinkel oder auch am Nasenflügel. Entscheidend ist, dass die Haltung stimmt.
Mit welchen Muskeln wird der Bogen ausgezogen?
Wenn man einem blutigen Anfänger einen Bogen in die Hand drückt, wird er ihn meistens mit dem ausgestreckten Bogenarm halten und dann insbesondere mit dem Bizeps/Trizeps, also aus dem Oberarm oder sogar Schulter heraus versuchen, die Sehne nach hinten zu ziehen.
Allerdings ist das so nicht korrekt! Die Kraft zum Ausziehen des Bogens sollte vor allem aus dem Rücken kommen, konkret den Muskeln, die unser Schulterblatt der Zugseite in Richtung Wirbelsäule rotieren lassen. Das sind auch die Muskeln, von denen bei dem Begriff „Rückenspannung“ die Rede ist.
Welches ist nun aber die beste Methode den Bogen auszuziehen?
Insgesamt ist das Ausziehen des Bogens ein relativ komplexer Vorgang, der mehrere Schritte umfasst, die nahtlos ineinander übergehen und teilweise auch parallel ablaufen.
Keine der oben beschriebenen Methoden ist in ihrer Reinform wirklich empfehlenswert, wenn du auf der Suche nach besten Methode bist, um sowohl die richtigen Muskeln zu aktivieren, die Bewegungen gelenkschonend auszuführen und auch eine perfekte Haltung zu erreichen!
Vielmehr ist eine Mischung aus Möglichkeit 1 und 3, also dem Push-Pull und dem Swing-Draw, ergänzt durch ein paar weitere bedeutende Details als die ideale Methode anzusehen.
Von Möglichkeit 2 oben, also dem Straight-Draw, bei dem der Bogenarm schon auf das Ziel ausgerichtet ist und dann erst ausgezogen wird, ist dringend abzuraten. Bei dieser Methode ist – wenn man sich nicht schon in einem kleinen „Vorauszug“ befindet – der Winkel zwischen Zugarm-Oberarm und Körper viel zu spitz, was dazu führt, dass die kleinen Muskeln der Schulter extrem beansprucht werden. Auch ist es aus dieser Position quasi unmöglich aus dem Rücken heraus zu ziehen und die Schulterblattrotation durchzuführen.
Zudem birgt diese Auszugsmethode ein sehr hohes Risiko durch ein zu frühes Fokussieren auf das Ziel in Verbindung mit dem genannten muskulären Stress Target Panic zu entwickeln.
Meine Empfehlung bzgl. des Auszugs
Schauen wir uns den idealen Schussaufbau und damit die meiner Meinung beste Methode den Bogen auszuziehen einfach einmal Schritt für Schritt an:
Schritt 1
Der Bogen zeigt leicht nach unten, der Bogenarm ist ausgestreckt. Die Zughand wird an der Sehne platziert. Der Kopf nimmt eine neutrale, mittige Position über dem Körper ein.
Nun wird mit dem Bogenarm leicht Druck nach vorne ausgeübt und die Zughand hält leicht gegen.
Die Schulter des Bogenarms kann durch diese minimale Vorspannung nun nach unten in die richtige Position gedrückt werden, damit Sie „tief“ steht und der Ellenbogen des Bogenarms wird in die richtige Position (Beuge zeigt zum Bogen) eingedreht.
Schritt 2
Nun wird der Bogen angehoben und auch die Zughand leicht über der späteren Endposition auf Höhe des Ankerpunkts platziert.
Dabei sollte darauf geachtet werden, dass der Ellenbogen des Zugarms minimal über der Zughand steht. Dadurch wird sichergestellt, dass die richtigen Muskeln (Rückenmuskeln) bei der im nächsten Schritt folgenden Rotations- und Zugbewegung aktiviert werden.
Es kann jetzt auch bereits der Oberkörper (konkret meist die Zugarmschulter) so nach hinten gedreht werden, dass Bogenhand, Bogenschulter und Zugarmschulter in einer Linie stehen.
Durch das bloße Anheben und Ausrichten wird der Auszug von ganz alleine im Vergleich zur vorherigen Position bei Schritt 1 schon etwas größer. Man nennt das auch „Vor-Auszug“.
Der Oberarm des Zugarms und der Körper sollten in dieser Position etwa einen 90°-Winkel bilden, um die Schultermuskeln zu entlasten. Schritt 3 folgt nun in einem fließenden Übergang auf Schritt 2.
Schritt 3
Jetzt erfolgt der eigentliche Auszugsvorgang durch eine Mischung aus Rotation des Zugarmellenbogens um die Schulter und Rotation des Schulterblatts in Richtung Wirbelsäule.
Der Ellenbogen des Zugarms sollte dabei immer leicht über der Zughand positioniert bleiben. Die Zughand selbst sinkt etwas nach unten auf die Höhe des Ankerpunkts ab.
Schritt 4
Wenn das Schulterblatt vollständig an die Wirbelsäule heranrotiert ist und die Zughand den Ankerpunkt erreicht hat, sollte der Ellenbogen des Zugarms hinter der Pfeillinie oder leicht auf der Seite des Schützen stehen.
Der Ellenbogen des Zugarms sollte dabei so hoch stehen, dass der Druckpunkt im Griff, die Zughand und der Zugarmellenbogen eine Linie bilden. (siehe dazu Abbildung oben beim Absatz »Pfeil-Zughand-Zugellenbogen«) Jetzt ist die optimale Haltung erreicht und der Bogen wird mit den richtigen Muskeln des Rückens gehalten.
Training ist das A und O
Um den Bewegungsablauf beim Ausziehen des Bogens so effizient wie möglich zu machen, muss er natürlich aktiv und bewusst trainiert werden.
Hier bietet sich insbesondere ein Trockentraining mit Bogen und aufgelegtem Pfeil an, um sich einzig und alleine auf den zu trainierenden Auszugsvorgang konzentrieren zu können.
Zudem kann man zum Trainieren des Bewegungsabblaufs und der Haltung auch einen sogenannten Nullbogen oder ganz einfach unser platzsparendes und effektives Trainingsgerät »Back-Tension-Tube« nutzen.
Das Trainingstool gibt es bei uns für 15,- EUR und es eignet sich sowohl zum Training des Bewegungsablaufs und der Rückenspannung, als auch (begrenzt) zum Kraftraining. Siehe dazu auch die Anwendungshinweise [PDF, 156 KB].
Empfehlung: Trainieren mit direktem Feedback durch einen Trainer!
Wenn du deine Haltung und Schießtechnik beim Bogenschießen nachhaltig verbessern möchtest, ist es nicht nur erforderlich, dass du regelmäßig „trainierst“, sondern es kommt vor allem auch auf die richtige Ausführung im Training an. Doch ob man es wirklich richtig gemacht hat, kann man selbst meist nur sehr schwer beurteilen, weil man sich ja nicht sehen kann.
Hier hilft es ungemein, wenn hin und wieder ein erfahrener Trainer einmal drüber schaut und dir wertvolle Tipps und Hinweise gibt, an welchen Stellen du in Sachen Schießtechnik und Haltung noch arbeiten kannst.
Um unseren Kunden – die oft nicht in Vereinen sind oder keine Trainer haben – qualifiziertes Feedback und wertvolle Tipps zur Verbesserung ihrer Schießtechnik zu geben, bieten wir auch individuelle Trainerstunden auf dem Schießplatz an. Bei diesen Trainings können wir wir nach Absprache genau die Bereiche adressieren, bei denen es noch etwas hakt. Und zwar viel individueller als es in einem Gruppenkurs möglich wäre!
Vielleicht wäre das ja auch etwas für dich?
Falls ja, schau‘ gerne mal unter der Rubrik Kurse & Events vorbei!
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Daniel Goll
Bereits vor über 20 Jahren entdeckte er das Traditionelle Bogenschießen für sich und hat bei zahlreichen Turnieren und Meisterschaften geschossen. Über die Jahre hinweg hat er viele Bogenschützinnen und Bogenschützen bei ihrem Einstieg in das Bogenschießen und dem Erlernen der instinktiven Zieltechnik unterstützt.