Was bedeutet Stacking bei einem Bogen und was ist die Ursache davon?

Stacking Bogen

Du hast bestimmt schon einmal den ein oder anderen Schützen gehört, der so etwas gesagt hat wie „der Bogen macht bei 30 Zoll zu“, „bei 31 Zoll ist eine regelrechte Wand zu spüren“ oder „ab 30 Zoll stackt der Bogen“. Doch was soll das alles genau heißen? Was bedeutet Stacking und was ist die Ursache davon?

In diesem Artikel möchte ich auf die Bedeutung des Begriffs Stacking eingehen, wie man Stacking feststellen kann und warum bestimmte Bögen ab einer bestimmten Auszugslänge sich so verhalten.

Was bedeutet Stacking im Bogensport?

Der Begriff „Stacking“ kommt aus dem englischen (Verb: to stack) und bedeutet soviel wie anhäufen, aufstapeln, sammeln, aufaddieren. Gemeint ist mit „stacking“ eine sich vergrößernde Zunahme des Zuggewichtsanstiegs des Bogens pro weiterem gezogenen Zoll Auszugslänge.

Im Regelfall ist die Zuggewichtszunahme eines Bogens größtenteils linear. Das heißt, die Zuggewichtszunahme pro Zoll Auszug nimmt konstant, beispielsweise um 3 lb. pro Zoll zu. Ab einer gewissen Auszugslänge jedoch steigt diese Zuggewichtszunahme langsam, aber sicher immer stärker an, bis man schließlich zu einem Punkt kommt, bei dem der Anstieg exponentiell wird. Ab hier kann der Bogen kaum mehr weiter ausgezogen werden oder eben nur mit enorm höherem zusätzlichen Kraftaufwand. Der Bogen „stackt“.

Wie kann man Stacking feststellen?

Wenn jemand von einem „stackendem Bogen“ spricht, dann ist das natürlich in aller erster Linie ein subjektiver Eindruck, der viele Ursachen haben kann. Darunter zum Beispiel, dass die Person im Regelfall einen Bogen schießt, dessen Zuggewichtsverlauf linearer ist oder sogar einen schwächeren Bogen schießt. Also mit dem Zuggewicht des getesteten Bogens schlicht nicht zurechtkommt.

Der einzig saubere Weg, um Stacking objektiv festzustellen, ist die Erstellung eines Auszugsdiagramms und die Betrachtung der Steigung des Kurvenverlaufs.

Hier ein beispielhaftes klassisches Auszugsdiagramm und ein Diagramm, das die Veränderung des Zuggewichts darstellt: (Zur detaillierten Interpretation dieser und weiterer Auszugsdiagramme erfährst du weiter unten mehr.)

Auszugsdiagramm Bodnik Longbow

Auszugsdiagramm
(Zuggewicht/Auszugslänge)

Auszugsdiagramm Zuggewichtssteigerung Bodnik Longbow

Auszugsdiagramm
(Zuggewichtssteigerung/Auszugslänge)

Auf dem ersten Diagramm wird durch die rote Kurve den Verlauf des Zuggewichts von 12 bis 33 Zoll Auszugslänge (nach A.T.A.) dargestellt. auf dem zweiten Diagramm stellt die rote Kurve den Verlauf der Steigerung des Zuggewichts im gleichen Auszugsbereich dar.

Was man hier schön sehen kann, ist das das Zuggewicht über den gesamten Messbereich relativ gleichmäßig um maximal 3 lb. pro Zoll ansteigt und ab ca. 31-32 Zoll die Marke von 4 lb. Zuggewichtszunahme pro Zoll überschritten wird.

Bei mehr als 3-4 lb. pro Zoll Zuggewichtszunahme kann man von Stacking sprechen. Der vorliegende Bogen stackt also etwa ab 31-32 Zoll. Warum das so ist, dazu gleich mehr!

Was ist die Ursache von Stacking bei einem Bogen?

Ab welcher Auszugslänge bei einem Bogen Stacking auftritt, hängt in aller erster Linie davon ab, wie der Bogen und seine Wurfarme vom Bogenbauer designt wurden. Recurvebögen stacken zum Beispiel allgemein wesentlich später als Langbögen gleicher Länge.

Grundsätzlich kann man festhalten, dass Stacking ab der Auszugslänge auftritt, bei der die Sehne zum Wurfarm den 90°-Winkel erreicht. Bis zu diesem Moment wird der Wurfarm nämlich stärker nach unten, als nach hinten gezogen und damit noch hauptsächlich gebogen.

Ab dem Erreichen des 90°-Winkels ist es umgekehrt. Er wird mehr nach hinten gezogen und gestreckt, als gebogen. Dafür ist dann deutlich mehr Kraft notwendig, das Zuggewicht steigt also exponentiell an.

Winkel Wurfarm Sehne unter 90 Grad

Sehnenwinkel am Wurfarm unter 90 Grad

Winkel Wurfarm Sehne über 90 Grad

Sehnenwinkel am Wurfarm über 90 Grad

Der Bodnik Bows Bodnik Longbow, der sowohl auf diesen Fotos, als auch auf den Auszugsdiagrammen zu sehen ist, stackt bei ca. 32 Zoll, weil bei diesem Auszug der 90°-Winkel zwischen Sehne und Wurfarm überschritten ist. Die vertikale grüne Linie in meinem Auszugsdiagramm stellt die Überschreitung dieses 90°-Winkels dar.

Kann man am „Stacking-Verhalten“ Qualitätsunterschiede bei Bögen festmachen?

Vergleiche zweier Bögen in Bezug auf ihr „Stacking-Verhalten“ sind meiner Ansicht nur dann zulässig, wenn die folgenden Voraussetzungen zutreffen:

  1. Es muss sich um Bögen der grundsätzlich gleichen Bauform (Recurve, Langbogen D-Form, Hybridbogen) handeln.
  2. Es darf sich um keine Custom-Bögen handeln, die speziell auf eine bestimmte Auszugslänge optimiert wurden.
  3. Die Bogenlänge muss identisch sein.
  4. Die Bauart (Take-Down oder Einteilig) muss gleich sein.
Langbögen Vergleich

Wenn alle diese Voraussetzungen vorliegen – und wirklich nur dann – ist ein Vergleich in Bezug auf die Stacking-Auszugslänge überhaupt nur zu akzeptieren.

Doch was sagt der Vergleich eigentlich aus? – Wenn du keinen langen Auszug hast: Nichts. Außer, dass der Bogenbauer den Bogen „auch“ für längere Auszugslängen geplant hat und er somit vielleicht universeller ist.

Aber man darf definitiv nicht dem Irrglauben erliegen, dass ein Bogen mit einem späteren Stacking automatisch der bessere ist. Denn spätes Stacking (z.B. erst ab 33 Zoll) bedeutet im Umkehrschluss auch, dass der Bogen bei einer „normalen“ Auszugslänge (im Verhältnis zur Bogenlänge und Sehnenwinkel an der Zughand) weit unter seinem eigentlich möglichen Wirkungsgrad arbeitet. Hier würde also unnötig potential vergeudet. Das wäre eher ein Indiz für mangelnde Qualität, als Stacking in meinen Augen.

Lieber schieße ich mit meinen knapp 30 Zoll Auszug einen Bogen, der ab 32 Zoll Stacking aufweist und bei den 30 Zoll schon einen Winkel Sehne/Wurfarm von 80° aufweist, als einen der bei meinem Auszug erst einen Sehnen-/Wurfarmwinkel von 60° beschreibt. Natürlich immer unter der Voraussetzung, dass der Sehnenwinkel an der Zughand bequem ist

Schauen wir uns das doch noch einmal anhand drei konkreter Beispiele an:

Beispiel 1: Bodnik Bows Mingo

Auszugsdiagramm Zuggewichtssteigerung Bodnik Mingo
Auszugsdiagramm Zuggewichtssteigerung Bodnik Mingo

Anhand des Auszugsdiagramms sieht man, dass der einteilige Recurvebogen Mingo bis kurz vor der 29 Zoll-Marke eine Zuggewichtssteigerung pro Zoll von maximal 3 lb. aufweist. Man sieht aber auch, dass ab ca. 28 Zoll das Zuggewicht rapide steigt. Der 90°-Winkel ist etwa bei 29,5 Zoll erreicht. Hier beträgt die Zuggewichtssteigerung dann über 3,5 lb. pro Zoll.

Herauslesen kann man aus dem Diagramm, dass der Bogen bis maximal 28 Zoll zu empfehlen ist, was aber für diesen nur 50 Zoll lagen Bogen absolut in Ordnung ist. Stacking tritt ab 29 Zoll auf.

Beispiel 2: Bodnik Bows Redman

Auszugsdiagramm Bodnik Redman
Auszugsdiagramm Zuggewichtssteigerung Bodnik Redman

Anhand des Auszugsdiagramms des Bodnik Bows Redman sieht man, dass er einen sehr linearen Zuggewichtsverlauf hat. Bis 29 Zoll beträgt die maximale Zuggewichtssteigerung pro Zoll durchgehend weniger als 2,5 lb. (!). Sogar erst ab 32 Zoll Auszug überschreitet die Zuggewichtszunahme die 3 lb.-Grenze und die Kurve steigt exponentiell an.

Herauslesen kann man neben einem extrem weichen Auszugsverhalten, dass der Bogen sogar bei 32 Zoll Auszug noch kein Stacking aufweist. Der 90°-Winkel zwischen Sehne und Wurfarm ist beim Redman bei 33 Zoll Auszug erreicht. Man kann ihn also bezogen auf das Stackingverhalten bis 32 Zoll schießen. Spaß ist das jedoch aufgrund des engen Sehnenwinkels keiner. Daher würde ich ihn bis etwa 30 Zoll Auszugslänge empfehlen.

Beispiel 3: Bodnik Bows Bodnik Longbow

Auszugsdiagramm Bodnik Longbow
Auszugsdiagramm Zuggewichtssteigerung Bodnik Longbow

Zu guter letzt nochmal die bereits oben aufgeführten Diagramme des Bodnik Longbow.

Wie bereits erwähnt, steigt das Zuggewicht über den gesamten Bereich relativ gleichmäßig an. Bis knapp 27 Zoll beträgt die Zuggewichtszunahme sogar unter 2,5 lb. pro Zoll. In diesem Bereich zieht er sich wie der Redman sehr weich! Ab ca. 31,5 Zoll wird dann die Marke von 4 lb. Zuggewichtszunahme pro Zoll überschritten. Der 90°-Winkel der Sehne zum Wurfarm ist etwa bei 32 Zoll Auszug erreicht.

Herauslesen kann man hier, dass der Bogen bis 31 Zoll uneingeschränkt zu empfehlen ist. Auch der Sehnenwinkel an der Zughand ist bei diesem Auszug noch akzeptabel.

Welche Relevanz hat das Thema Stacking für dich?

Das Thema Stacking ist für dich, wenn du eine moderate Auszugslänge hast, nicht unbedingt ein großes Thema. Denn die meisten Bögen werden bis mindestens 30 Zoll kein spürbares Stacking haben. Allerdings solltest du auch darauf achten, dass der Bogen bei deiner Auszugslänge nahe an seinem optimalen Wirkungsgrad arbeitet. Das heißt der 90°-Winkel wird im besten Fall bei deiner Auszugslänge fast erreicht.

Bei größeren Auszugslängen hingegen ist Stacking aber definitiv ein Thema! Hier solltest du dir Auszugsdiagramme genau ansehen, den Bogen Probeschießen und ggf. auch mal vermessen.

Daniel Goll

Bereits vor über 20 Jahren entdeckte er das Tradi­tionelle Bogen­schießen für sich und hat bei zahl­reichen Tur­nieren und Meister­schaf­ten geschos­sen. Über die Jahre hinweg hat er viele Bogen­schütz­innen und Bogen­schützen bei ihrem Einstieg in das Bogen­schießen und dem Er­lernen der in­stink­tiven Ziel­tech­nik unterstützt.

Daniel Goll

Bereits vor über 20 Jahren entdeckte er das Tradi­tionelle Bogen­schießen für sich und hat bei zahl­reichen Tur­nieren und Meister­schaf­ten geschos­sen. Über die Jahre hinweg hat er viele Bogen­schütz­innen und Bogen­schützen bei ihrem Einstieg in das Bogen­schießen und dem Er­lernen der in­stink­tiven Ziel­tech­nik unterstützt.